Den Geräuschmachern an den Kragen
16.05.2019 - Baukommunikation
Morgendlich hebt ein Seilbagger im Innenareal eine riesige Konstruktion gewaltigen Ausmasses: Rund 2 mal 26 Meter misst der Koloss, der sogenannte Armierungskorb. Nun baumelt der Korb mit 13 Tonnen Gewicht am Arm des Baggers. Er soll vor dem Haus 08 in dem bereits ausgehobenen Schlitz versenkt werden.
Seit Anfang April letzten Jahres herrscht hinter der rund 900 Meter langen, grünen Bauwand reger Betrieb. Tag für Tag arbeiten Dutzende von Bauleuten und Experten auf der Grossbaustelle im Innenareal. Sowohl den Patientinnen und Patienten als auch den Mitarbeitenden entgeht dieses Spektakel nicht. Spektakel für die einen, mühsames Geräusch jedoch für die anderen. «Wir setzen alles daran, den Lärm so gering wie möglich zu halten», erklärt Nikola Vukovic. Der erfahrene Projektleiter des Departements Bau und Raum hält fest, dass die rund zehn Jahre andauernden Bauarbeiten während eines laufenden Spitalbetriebs eine besondere Herausforderung seien. Daher wende man auf dieser Baustelle möglichst emissionsarme Bautechniken und Maschinen an.
Lärmreduktion dank modernster Verfahren
Eine dieser Bautechniken ist das Schlitzwandverfahren. Dieses Verfahren dient der Baugrubensicherung mit dem Zweck, dass zwischen den bestehenden Gebäuden in die Tiefe gegraben werden kann. Für diese Aufgabe werden zwei augenfällige Seilbagger verwendet. Diese realisieren bis zu 30 Meter tiefe Schlitzwände ohne jegliches Rütteln, Rammen oder Pressen. «Das Schlitzwandverfahren gilt als Königsdisziplin im Spezialtiefbau», gerät Marco Facchin, Oberbauleitung Neubauten KSSG der Walter Dietsche AG, ins Schwärmen. Er erläutert, dass dieses Verfahren zwar aufwändiger sei, jedoch bedeutend weniger lärmintensiv als Spundwände, die oft ächzende Geräusche herbeiführen. Ganz auf Spundwände kann allerdings nicht verzichtet werden. So müssen aus bautechnischen Gründen dennoch rund zehn Prozent der Baugrubenabschlüsse mit Spundwänden sichergestellt werden.
Weltweiter Prototyp im Einsatz
Gleichzeitig geht es im Innenareal wie bei den Pfahlbauern zu und her: Aufgrund des instabilen Bodens inmitten der hohen Spitalgebäude muss das Fundament mittels Bohrpfähle gesichert werden. Die Bohrungen erreichen Tiefen von bis zu 33 Metern und werden mit dem sogenannten Drehborgerät, der mit einer Bohrschnecke ausgestattet ist, ausgeführt. Währendem normalerweise das Bohrgut an der Bohrschnecke ausgeklopft wird, hat das Kantonsspital St.Gallen zwei Schneckenputzer im Einsatz, einmal für 90 Zentimeter Pfahldurchmesser und einmal für 130 Zentimeter. «Diese zwei Prototypen sind auf unserer Baustelle weltweit zum ersten Mal live im Einsatz», erzählt Vukovic mit Stolz. Dieses Verfahren sei mit bedeutend weniger Lärmemissionen verbunden, da durch das Ausstossen des Bohrgutes der Schlaglärm auf ein Minimum reduziert werde.
Konventionell ist nicht genug
Nicht nur auf der Grossbaustelle wird zünftig gebaut, auch bestehende Bauten erfahren derzeit einen Umbau. So etwa die Häuser 02 und 03. Im ehemaligen Patientenzimmer 218 reissen Bauarbeiter gerade die Mauern ab, wo ein mit Matratzen ausgelegter Boden den Lärm der herunterfallenden Brocken merklich dämpft. «Wir lassen uns auch kreative Massnahmen einfallen, um eine Lärmminderung zu bezwecken», freut sich Patrick Keel, Projektleiter Departement Bau und Raum. Dank eines regelmässigen Bau-Znünis mit den Bauarbeitern sei überdies der Austausch sehr eng, und über Vorgaben zu Ruhezeiten und Auflagen zu Arbeitsmethoden könne so direkt Einfluss auf die Lärmemissionen genommen werden. Arbeitsmethoden, die bis ins letzte Detail optimiert werden: So werden beispielsweise Fünf-Millimeter-Dübel verwendet statt der etwas mehr lärmauslösenden Dübel mit acht Millimetern Durchmesser.
Minutiöse Lärmüberwachung
Dass die Lärmemissionen sich in Grenzen halten, ist ein Mikrofon auf dem Haus 03 platziert. Es nimmt kontinuierlich den Lärmpegel auf und schlägt Alarm, sobald die definierten Richtwerte überschritten werden. Der Bauherr erhält umgehend eine SMS und kann sogleich einschreiten. Beispielsweise weist er die Bauleitung an, auf ein anderes Arbeitsgerät auszuweichen oder die Arbeiten in einem geschützten Bereich zu verrichten. «Die Grossbaustelle des Kantonsspitals St.Gallen ist keine «normale» Baustelle», hält Mario Bleisch, Teamleiter Bauphysik und Akustik der Firma Amstein+Walthert, fest und erwähnt die Besonderheiten einer Baustelle am Spital im laufenden Betrieb. Darum müssen - im Hinblick auf den Lärmschutz - zahlreiche Massnahmen festgelegt und umgesetzt werden.
Diese greifen bereits vor dem eigentlichen Bau, namentlich bei der Ausschreibung der Arbeiten, die mit Auflagen verbunden sind. Während der Ausführung werden Lärmemissionen der Baumaschinen dann regelmässig auf die Einhaltung von Grenzwerten überprüft und dauerhaft überwacht. «Die ermittelten Schalldruckpegel zeigen, dass es diverse Lärmimmissionen aus der Baustelle gibt. Auch wenn sich diese in einem normalen Rahmen bewegen, können sie teilweise auch als störend empfunden werden», hält der Experte fest.
Schlüsselfunktion Pflegefachperson
Doch nicht nur auf die Bauarbeiten an sich wird ein besonderes Augenmerk gelegt, sondern auch auf das Umfeld. «Eine zentrale Rolle kommt bei den Umbauarbeiten den Pflegefachfrauen und -männern zu», stellt Projektleiter Keel fest. So sei ihm ein regelmässiger Austausch mit der Leitung Pflege und den Pflegefachpersonen besonders wichtig.
Die Pflege wiederum übernimmt die Kommunikation mit den Patientinnen und Patienten und unterstützt beispielsweise mit der Abgabe von geräuschreduzierenden Hilfsmitteln wie Ohropax oder Pamirs. «Ich kann das Kantonsspital St.Gallen nur in den höchsten Tönen loben. Das Einzige, was gestört hat, war der Baulärm», äussert sich ein Patient und schiebt nach, «aber der muss im Interesse der Zukunft auch sein.»
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