Der Jubiläumswein

Bereits vor hunderten Jahren bezog die St.Galler Spitalwelt Wein für ihre Patientinnen, Patienten und die Mitarbeitenden, welcher im «Klumpentorkel» in Berneck gekeltert wurde. Aufgrund dieser langjährigen gemeinsamen Geschichte war sofort klar, dass auch der Jubiläumswein zum 150-jährigen Bestehen des Kantonsspitals St.Gallen aus ebendiesen Weintrauben gekeltert werden soll.

Der Klumpentorkel und seine langjährige Verbindung zur St.Galler Spitalwelt

Klumpentorkel, Berneck

Der Klumpentorkel

Der «Klumpentorkel» ist ein alter Holzschopf auf dem Rebgut Kobel, das früher als Torkelgebäude für das Keltern von Wein genutzt wurde. Hierzu standen damals zwei Torkelbäume bzw. Torkelpressen im Einsatz. Heute wird der Klumpentorkel als Buschenschenke genutzt.

Das Wort Torkel lässt sich vom Wort «torquere» ableiten, das so viel wie «drehen» bedeutet. Es beschreibt eine Presse, die zur Gewinnung von Frucht- und Obstsäften als Vorstufe von Wein und Most verwendet wird.

Gründung des Heilig-Geist-Spitals als Versorgungsanstalt für Stadtbürgerinnen und -bürger

Das Heilig-Geist-Spital der Stadt St.Gallen, das kurz Spitalamt genannt wird, wurde 1228 als Obhut für die Kranken und Zuflucht für die Armen gegründet. Als Alters-, Besserungs-, Kranken- und Armenanstalt, die ausschliesslich Stadtbürgerinnen und Stadtbürger St.Gallens vorenthalten war, lagen der Institution verschiedene Funktionen der sozialen Pflege zu Grunde. St.Galler Bürgerinnen und Bürger konnten sich dort auch eine sogenannte «Pfrund» mit eigener Schlafkammer, Verköstigung und Pflege für den Rest ihres Lebens erwerben. Mehr als die Hälfte der Bewohner nutzten dieses Angebot und ersetzten ihr Zuhause durch das Spital. Zudem wurden Einnahmen durch die Herstellung und dem Verkauf von handwerklichen Produkten und Textilien erzielt. Der grösste Teil der Einnahmen wurde aber hauptsächlich durch die Erträge aus den Gütern des weitläufigen Grundbesitzes generiert. Zu diesen Gütern gehörte schon 1368 auch ein Gut im Kobel mitsamt dem «Klumpentorkel», in dem seit jeher Wein für das St.Galler Spital gekeltert wurde.


Gründung des Fremdenspitals als Vorreiter des Kantonsspitals St.Gallen

Neben dem Heilig-Geist-Spital hat sich 1503 mit dem damaligen Seelhaus für Pilger, fremde Arme und Kranke eine Versorgungseinrichtung entwickelt, die sich um kranke Personen ohne St.Galler Stadtbürgerschaft kümmerte. Nachdem das Gebäude baufällig wurde, musste 1820 ein neues Gebäude gekauft werden, das von vielen als «Fremdenspital» bezeichnet wurde und als Vorreiter des Kantonsspitals St.Gallen gilt.
 

Heilig-Geist-Spital wird durch Reform zum Bürgerspital

Nachdem das gesamte Kobelgut inkl. dem Klumpentorkel und dem Rebland durch die Auswirkungen der Französische Revolution sowie der Restauration kurzzeitig dem neu gegründeten Kanton gehörte, kam es 1842 wieder in den Besitz des Spitalamtes der Ortsbürgergemeinde St.Gallen.

Innerhalb dieser Ortsbürgergemeinde hörte man immer wieder Stimmen, die eine Reform der zentralisierten Pfrund- und Krankenanstalt forderten. Mit dem Neubau des Bürgerspitals 1845 an der Rorschacher Strasse fanden diese Diskussionen schliesslich ein Ende. Das Heilig-Geist-Spital wurde so zum Bürgerspital. Dieses diente weiterhin der Kranken-, Armen- und Altersversorgung sowie als Arbeitserziehungsanstalt und war weiterhin den St.Galler Stadtbürgerinnen und –bürgern vorenthalten.

Die Stadt St.Gallen wuchs zu dieser Zeit rasant, was auch zu einem enormen Wachstum an nicht ortsbürgerlichen Einwohnerinnen und Einwohner führte. Dies forderte ein Abtreten des Fremdenspitals an die Politische Gemeinde, was 1858 vertraglich vollzogen wurde.


Gründung Gemeindespital durch mangelnde Versorgung der Landbevölkerung

Schnell meldeten sich Ärzte zu Wort, die auf die mangelnde Versorgung der Landbevölkerung hinwies. Beispielsweise wurde durch Veröffentlichungen der beiden Stadtärzte Werner Steinlin und Carl Wegelin sowie durch Jakob Sonderegger die Idee propagiert, eine kantonale Krankenanstalt zu gründen. Durch den Vorstoss des 1862 gegründeten Kantonalen Ärztevereins wurde der Druck auf die Politische Gemeinde zusätzlich erhöht.

Die Medizin soll sich zur modernen Naturwissenschaft wandeln. Damit einhergehend kam auch die Forderung nach einem modernen Spital nach dem Vorbild europäischer Grossstädte: Trennung der Medizin von der Kirche, lediglich noch Behandlung von Kranken sowie Ausrichtung auf die neusten Erkenntnisse und Methoden der empirisch-experimentellen Naturwissenschaften.

Nachdem auch die Idee verworfen wurde, das Bürgerspital mit dem Fremdenspital zusammenzuschliessen, war die Politische Gemeinde gezwungen, 1867 ein eigenes Gemeindekrankenhaus zu realisieren. Dieses wurde gegenüber dem Bürgerspital realisiert und bot moderne Medizin für Niedergelassene und Aufenthalter an.


Das Kantonsspital St.Gallen wird eröffnet

Nachdem die Politische Gemeinde und der Kanton St.Gallen 1869 einen Vertrag abschlossen und die Erweiterungsbauten am damaligen Gemeindekrankenhaus abgeschlossen waren, wurde 1873 schliesslich das Kantonsspital St.Gallen eröffnet. Dieses war nun in der Hand des Kantons und diente in erster Linie der Betreuung und Heilung kranker Menschen aus dem gesamten Kanton St.Gallen.


Der Jubiläumswein – eine klare Sache

1925 verkaufte das Spitalamt der Ortsbürgergemeinde St.Gallen den Klumpentorkel. Nach mehreren Besitzerwechseln erwirbt 2012 das tobias.wein.gut (Tobias Schmid & Sohn AG, Berneck, Inhaber Christoph Schmid) den Klumpentorkel schliesslich mitsamt dem dazugehörigen Rebland.

Aufgrund der langjährigen gemeinsamen Geschichte des Klumpentorkels mit der St.Galler Spitalwelt war klar, dass der weisse wie auch rote Jubiläumswein zum 150-jährigen Bestehen des Kantonsspitals St.Gallen aus ebendiesen Trauben gekeltert werden soll.

 

Dieser Text ist ein Zusammenzug aus Informationen verschiedener Quellen:

  • Jakob Bösch: Die Geschichte des Hofes Bernang
  • Ernst Ehrenzeller: Geschichte der Stadt St.Gallen
  • Rita Maria Fritschi: Der arme Lazarus im Kulturstaat. Die Entstehung und die ersten Betriebsjahre des Kantonsspitals St.Gallen 1845–1880
  • Historischer Verein des Kantons St.Gallen (Hg.): Zeit für Medizin! Einblicke in die St.Galler Medizingeschichte
  • Felix Indermaur
  • Max Lemmenmeier ... et al.: Sankt-Galler Geschichte 2003, Bd. 6: Die Zeit des Kantons 1861-1914 
  • Marcel Mayer: Hilfsbedürftige und Delinquenten. Die Anstaltsinsassen der Stadt St. Gallen 1750 - 1798
  • Jakob Schegg
  • Carl Wegelin: Die Geschichte des Kantonsspitals St. Gallen. Fehr, St. Gallen 1953
  • Ernst Ziegler (Hg.): Vom Heilig-Geist- zum Bürgerspital

Wein für Patientinnen, Patienten und das Spitalpersonal des Kantonsspitals St.Gallen

Im Speiseregulativ von 1912 war grammgenau festgehalten, was die Patientinnen, Patienten und auch Angestellte zu welchem Zeitpunkt zu essen und zu trinken bekommen. Das Wart- und Dienstpersonal des Kantonsspitals St.Gallen hatte dabei im allgemeinen dieselbe Diät wie die Kranken.

Damals bekam das Wart- und Dienstpersonal zur Arbeit jedoch zudem täglich eine bestimmte Menge Wein oder Most vorgesetzt: vier Deziliter für Frauen, fünf für Männer. Dabei wurde zwischen Dienstenwein und Patientenwein unterschieden. Wer weder Wein noch Most mag, durfte auf eine Flasche Bier ausweichen.

Auszug aus dem Speiseregulativ von 1912:

Art. 8:

Wartpersonal

  • Wärter: 5dl Patientenwein
  • Wärterinnen: 4dl Patientenwein

Dienstpersonal

  • Portiers: 5dl Dienstenwein
  • Pförtnerinnen: 4dl Dienstenwein
  • Maschinist sowie männliches und weibliches Küchenpersonal: 5dl Dienstenwein und 5dl Most
  • Wäschebesorgerin, Lingeriegehilfinnen und Glätterinnen: 4dl Dienstenwein und 3dl Most
  • Gärtner, Hausknechte, Tagelöhner, Schlosser, Heizer und Ausläufer: 15dl Most
  • Näherinnen und Hausmädchen: 4dl Dienstenwein
  • Wasch- und Putzpersonal: 5dl Dienstenwein und 3dl Most

Dem Dienstpersonal, welches an den Arbeitstagen nur Most erhält, werden an Sonn- und gemeinsamen Feiertagen unter Abzug von 0.5L Most 3dl Dienstenwein oder 1 Flasche Bier verabfolgt.
 

Art. 9:

Alle Beamten und Angestellten können bei Verzicht auf die angewiesenen alkoholischen Getränke dafür eine Geldentschädigung beziehen, deren Höhe die Spitalkommission festsetzt. In diesem Falle haben die aber keinen Anspruch auf Ersatzgetränke wie Mineralwasser und dergleichen. Die bezügliche Erklärung muss auf einen längeren Zeitraum lauten.

 

Sie möchten einen Blick in das Speiseregulativ von 1912 werfen?


Auch heute wird im Kantonsspital St.Gallen Wein angeboten

Früher war es ganz normal, Patientinnen und Patienten aber auch Angestellten täglich Wein vorzusetzen. Lebensmittel wurden in der Küche des Kantonsspitals St.Gallen sogar noch bis ins Jahr 2010 regelmässig mit Wein zubereitet. Und auch heute stehen zusatzversicherten Patientinnen und Patienten der Roomservice-Stationen immer noch unterschiedliche Weine und auch Bier zur Auswahl. Daneben stehen diesen auch alkoholfreie Getränkeangebote wie z.B. Rivella oder Cola zur Verfügung. Im Gegensatz zu Wasser oder Tee werden solche Süssgetränke den Patientinnen und Patienten aber verrechnet. Dieser individuelle Roomservice ist für die Patientinnen und Patienten unverzichtbar geworden und verschafft dem Spitalalltag eine besondere Atmosphäre des Wohlbefindens.